Bericht SkyNews 8/23

Blick zurück: Wie klaut man ein Flugzeug?

Es gibt wertvolle Güter, die sich unauffällig entwenden lassen. Autos zum Beispiel lassen sich bequem aus eigener Kraft woandershin bewegen, wenn man erst mal die Sicherheitsvorrichtungen geknackt hat. Flugzeuge sind oftmals nur mangelhaft gegen unbefugtes Inbetriebsetzen gesichert, und das lässt sich mit den nötigen technischen Mitteln bewerkstelligen. Aber gleich unbemerkt wegfliegen?

Im Jahre 1963 geschah so etwas in Basel tatsächlich, und zwar mit einer Douglas DC4. Diese Maschinen hatten damals schon ihre glorreichen Zeiten des vornehmen Passagier-Langstreckenverkehrs längst hinter sich und endeten Ihre Laufbahnen vielfach bei B- und C-Carriern, deren Prestigewert nicht an die ganz grossen Namen des gloriosen, internationalen Luftverkehrs herankamen. Trans Atlantic Airlines zum Beispiel, deren wohlklingender Name allerdings kein Qualitätsversprechen war, operierte solche Maschinen für meist nicht ganz legale Flugaufträge.

Anfangs Juni 1963 landete in Basel-Mulhouse eine Douglas DC4, leer aus Frankfurt kommend. Deren Piloten hielten sich nicht lange mit Formalitäten auf und bezahlten auch keine Landegebühren, sondern verschwanden spurlos. Anhand der Flugzeug-Immatrikulation (N90443) konnte die Trans Atlantic Airlines als Betreiberin identifiziert werden. Da die Gesellschaft bereits anlässlich einer früheren Landung in Basel die Landetaxen nicht bezahlt hatte und zudem auch noch dem Vorbesitzer der Maschine den Kaufpreis schuldete, klebte der Gerichtsvollzieher kurzerhand den «Kuckuck» an die Maschine: Pfändung. Tage später erschienen die Piloten und gaben an, Unterhaltsarbeiten am Flugzeug durchführen zu müssen. Dies wurde ihnen bewilligt, wie auch eine minimale Betankung, weil für einen Motorenstandlauf ja auch Flugbenzin benötigt wird. Nach ihrer Arbeit melden sie sich freundlich wieder ab. Aber am nächsten Morgen rieben sich die Flughafen-Verantwortlichen erstaunt die Augen: Die DC-4 war weg – einfach spurlos verschwunden! Was war geschehen?

Die Rekonstruktion des Vorfalles ergab Folgendes: Statt die Maschine am Vortag nur zu warten, machten sie die Piloten offensichtlich startklar und rekognoszierten gleich noch einen unkontrollierten Zugang zu deren Standplatz. In der Nacht, bereits bei angehender Morgendämmerung, fanden diverse Flugbewegungen statt, unter anderem ein Start einer BEA-Comet4, gefolgt von der Landung einer Swissair Caravelle – beide Typen nicht gerade als Flüsterjets bekannt. Im Schutz des Fluglärms der Dunkelheit rollte die DC4 zur Schwelle der Querpiste. Unmittelbar nach dem Start der ersten Maschine startete sie dann ebenfalls, selbstverständlich ohne Startfreigabe, ohne Landescheinwerfer oder Positionslichter und deshalb vom Kontrollturm optisch und akustisch unbemerkt, und führte ihre Reise im Tiefflug nach Albenga (Italien) durch. Gemäss Augenzeugen übermalten die beiden Piloten dort in derselben Nacht seelenruhig die Immatrikulation mit dem fiktiven Kennzeichen N2894C und setzten ihren Flug fort – natürlich auch dort ohne die Landegebühren zu bezahlen. Erst einige Tage später konnte das Flugzeug dann in Brüssel identifiziert werden (lustigerweise aufgrund eines Fotos, welches die Basler Spottergemeinschaft von der Maschine gemacht hatte), worauf es von den Behörden konfisziert und etwas effizienter als in Basel festgenagelt wurde. Auch die beiden Piloten gingen später der Französischen Polizei auf den Leim und durften dann für längere Zeit Gefängnisluft schnuppern. Und das Flugzeug beendete seine fliegerische Karriere im belgischen Overboelare als Clublokal und existiert immer noch – siehe Bild – wenn auch nicht mehr in flugfähigem Zustand.

Zurück auf den Flughafen Basel-Mülhausen, wie er damals noch hiess. Dass es die Besatzung schaffte, völlig unkontrolliert zum Flugzeug zu gelangen, war damals nicht besonders schwierig. Zu Hilfe kam ihnen beim Abflug, dass der Flughafen zu jener Zeit noch kein eigenes Radar besass und auch andere Überwachungsmöglichkeiten noch ziemlich mangelhaft waren. Auch dürfte die Sicht vom damaligen Kontrollturm zur Querpiste nicht optimal gewesen sein. Trotzdem: Eine DC4 inmitten des Flugverkehrs und ohne Licht völlig unbemerkt zu starten und VFR über die Alpen zu fliegen, war natürlich ein Husarenstück!

Diese Räubergeschichte war damals in diesen wilden Zeiten nicht einmal eine Seltenheit. Hinter derartigen Gesellschaften steckten dubiose Figuren, für die sich auch die Polizeiorgane interessierten. Sie bewegten sich in einem grossen Markt von alten und nicht mehr linientauglichen Verkehrsflugzeugen, die billig zu haben waren und die sich für verschiedenste illegale Transporte bestens eigneten – siehe auch den Bericht von Markus Seiler in der SkyNews August-Nummer 2019 über Hank Wharton, der ebenfalls in Basel operierte und am Schluss zwei Flugzeuge einfach zurückliess.

Heute werden aber nach wie vor Flugzeuge geklaut und illegale Transporte durchgeführt. Das geschieht einfach etwas raffinierter, mit gefälschten Papieren und deshalb scheinbar legal.

(Quellen: Zeitungsausschnitte, Berichte von Christoph Hartmann und Peter F. Peyer)

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