Bericht SkyNews 4/23

Erinnerungen eines Zeitzeugen an den Flugzeugabsturz der INVICTA INTERNATIONAL bei Basel am 10. April 1973

Diesen Monat jährt sich der tragische Absturz der INVICTA INTERNATIONAL in Hochwald (SO) bereits zum 50. Mal. Immer noch gibt es verschiedene Zeitzeugen (u.A. den Schreibenden), die seinerzeit direkt damit involviert waren und deren Erinnerungen an diesen tragischen Fall immer noch intakt sind. Einer davon ist Peter Feiner, übrigens auch Mitglied der IG EUROAIRPORT, der zur Zeit des Unfalls Leiter der Handelsabteilung des Britischen Konsulats in Basel war.

Am 10. April 1973, an einem kalten Tag mit unerwartetem und starkem Schneefall, fand in Basel der offizielle Tag der Schweizer Mustermesse (MUBA) statt, einem damals sehr wichtigen gesellschaftlichen Anlass, zu dem wie üblich die ganze Prominenz eingeladen war. Auch Bundesrat Kurt Furgler wurde erwartet, um traditionellerweise einen kurzen Messerundgang zu absolvieren und anschliessend beim Gala-Mittagessen eine festliche Rede zu halten. Als ebenfalls eingeladene Gäste machten sich Feiner, der Britische Botschafter, Sir John Wraigth, und der Britische Konsul, Ivan May, auf den Weg zur Mustermesse.

Während des Rundgangs kam Feiner ein Gerücht zu Ohren, dass auf dem Flughafen eine englische Chartermaschine vermisst würde, und orientierte den Botschafter und den Konsul entsprechend. Anschliessend nahm er Kontakt auf mit Peter Wyss, einem bekannten Radiomoderator, der im MUBA-Studio anwesend war: Er möge doch bitte versuchen, über seine Kontakte mehr zu erfahren. Später, beim offiziellen Mittagessen, wurde das Gerücht zur traurigen Wahrheit: der Flug IM436 aus Bristol, eine Vickers Vanguard der englischen INVICTA INTERNATIONAL, war tatsächlich in Hochwald (SO) abgestürzt!

Der Britische Botschafter, der Britische Konsul und Peter Feiner beschlossen, als Vertreter des Heimatstaates der Passagiere des verunglückten Flugzeugs sofort nach Dornach (SO) zum mittlerweile einberufenen Krisenstab zu fahren. Während ersterer sich sofort direkt auf den Weg machte, lotste Feiner den Britischen Konsul zuerst zu seinem Privatwohnsitz, um dort ihre festlichen schwarzen Anzüge gegen wintertaugliche Kleidung auszuwechseln, bevor sie mit ihrem Dienstwagen, einem Rolls-Royce, beim Krisenstab vorfuhren. Dort war inzwischen auch Bundesrat Furgler eingetroffen, und zusammen wurden sie mit einem Pinzgauer des Luftschutz-Bataillons zur Unfallstelle gefahren. Der früher hingereiste Britische Konsul war zwischenzeitlich zwischen Dornach und Hochwald im Schnee stecken geblieben und musste von einem Rettungsfahrzeug zur Unfallstelle mitgenommen werden. Dort waren die ersten Rettungs- und Bergungsarbeiten in vollem Gange; die 37 Überlebenden waren schon an verschiedene Warteorte gebracht worden, in erster Linie in ein nahe der Absturzstelle gelegenes Pfadiheims, wo man den Absturz gehört hatte und sich sofort bereit machte, den Betroffenen einen warmen Warteplatz zu geben.

Die ganze Gegend war mit einer unerwarteten 30 cm dicken Schneedecke bedeckt, welche ein Durchkommen von Fahrzeugen mit Sommerpneus verunmöglichte – niemand hatte zu dieser Jahreszeit mit einem solchen Wetterumsturz gerechnet. Der Feuerwehrkommandant von Hochwald, Hansruedi Vögtli, der ebenfalls in der Nähe wohnte und den Absturz auch wahrgenommen hatte, koordinierte die ersten Massnahmen und liess sofort mit Schneepflügen einen provisorischen Weg für die Rettungsfahrzeuge zur Unfallstelle bahnen. (Aufgrund dieser Erfahrungen wurden übrigens für spätere Fahrzeugbeschaffungen der Rettungsdienste zwingend Wintertauglichkeit vorgeschrieben!) Das Gelände war hermetisch abgeriegelt worden; der immer noch starke Schneefall machte ein Durchkommen der Fahrzeuge sehr schwierig. Zumindest aber erschwerten deswegen keine Gaffer die Rettungsarbeiten.

Die konsularischen Dienste der Britischen Botschaft in Bern und des Konsulats in Basel hatten zwischenzeitlich ihre Arbeit aufgenommen. Sie übernahmen die sehr schwierigen und belastenden Arbeiten, die bei einer derartigen Katastrophe anfallen – Kontakte zu den Behörden und Hinterbliebenen, die Identifikation der Opfer, ihre Bergung und Rückführung und weiteres mehr. Die Aufgaben der Handelsabteilung waren damit im Prinzip beendet; P. Feiner übernahm für die nächsten Stunden vor allem die Kommunikation und Präsenz im Konsulat Basel. Und da erinnert er sich gut an eine fast schon skurrile Begebenheit: Mitten in der Nacht klingelte es an der Türe des Konsulats, und da stand ein Mann, mit zerrissener und beschmutzter Kleidung, und bat darum, seine Angehörigen in England anrufen zu dürfen – ein Überlebender! Obwohl die Telefonleitungen hoffnungslos überlastet waren, gelang es Feiner, eine Linie nach Axbridge zu bekommen. Das Jubeln am anderen Ende, als der Mann dort anrief, konnte er deutlich hören! Wie dieser Mann übrigens den Weg gefunden hatte, war nicht ausfindig zu machen…

Die verletzten Passagiere waren in verschiedenen Spitälern der Umgebung untergebracht; dass diese alle überleben durften, war sehr schön! Grosse Teile der Bevölkerung wurden sehr schnell aktiv und leisteten während der ganzen Zeit unaufgefordert und ehrenamtlich wertvolle Hilfestellungen: Auch die lokale englische Community und die anglikanische Kirche konnten Familien der Hinterbliebenen unterbringen und betreuen – es gab wegen der MUBA in Basel praktisch keine Hotelkapazitäten mehr! Sie arbeiteten alle selbstlos und Hand in Hand mit dem Krisenstab. Auch die Heilsarmee leistete wertvolle, effiziente und militärisch organisierte Dienste. Und der Frauenverein von Axbridge, woher die Mehrheit der Passagiere stammte, initiierten spontan eine Sammlung «Axbridge 999», um die ersten finanziellen Nöte der Hinterbliebenen zu lindern. Aus all diesen Kontakten ergaben sich später viele langjährige Freundschaften.

Zwei Tage nach dem Unglück brachte der erste von mehreren Sonderflügen, eine DC10 der Laker Airways, Angehörige von Überlebenden und Opfern nach Basel. Sie hatten die traurige Pflicht, die in einer Turnhalle ausgelegten Fundgegenstände zu identifizieren, und da spielten sich Tragödien ab! Die gleichzeitige Anwesenheit von Angehörigen, sowohl der Überlebenden als auch der Opfer, führte zudem zu belastenden Situationen, weil die einen vom Überleben ihrer Familienmitglieder erleichtert waren, was für die Anderen, die den Tod ihrer Liebsten beklagen mussten, eine sehr traurige Situation war!

Nach der Rückführung der Überlebenden und verstorbenen Passagiere sowie den administrativen Arbeiten war die Arbeit des Konsulats weitgehend beendet. Übrig blieben viele eindrückliche Erinnerungen an diesen Unfall – Erinnerungen, die immer noch frisch sind und betroffen machen!

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