Bericht SkyNews 9/22

PAF – Police aux Frontières

Auf dem EuroAirport Basel-Mulhouse-Freiburg ist die Französische Police aux Frontières, eine Abteilung der Police Nationale, zuständig für sämtliche polizeilichen Regelungen und Aufgaben: Bekämpfung der illegalen Einwanderung, Dokumentenbetrug, Menschenhandel, Kriminalpolizei (Überfälle, Diebstähle…) und Verwaltungspolizei, Sicherung des Geländes und der Passagiere, Empfang und Personenschutz von Persönlichkeiten (VIPs – institutionelle Persönlichkeiten, Staatschefs, Präsidenten, Regierungschefs, Minister).

Sie greift auch bei Aufgaben ein, die in den Bereich der Flughafensicherheit fallen, sowie bei allem, was ein Risiko für Passagiere und Angestellte darstellen kann, wie z. B. herrenloses – verdächtiges – Gepäck.

Die IG EUROAIRPORT hatte die Gelegenheit, sich mit dem Chef der PAF auf dem EuroAirport, Franck Vendamme, Commandant de Police, Chef du Service, ausführlich zu unterhalten.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit der Schweizer Polizei auf dem Flughafen?

Die Schweiz hat keine polizeilichen Kompetenzen auf dem EuroAirport. Der Einflussbereich der Französischen Polizei schliesst sämtliche Schweizer Zonen auf dem Flughafen ein. Er beginnt an der Grenze zur Schweiz auf der Höhe des Casinos und schliesst auch die Zollfreistrasse zum Flughafen mit ein – Verkehrssicherheit, Geschwindigkeitskontrollen etc., und Unfälle auf dieser Strasse werden ebenfalls von der Französischen Polizei behandelt. Es gab einen Fall, bei welchem ein Schweizer Zollbeamten von einem Passagier bedroht wurde, und da musste die Französische Polizei eingreifen – die Schweizer sind dazu nicht berechtigt.

Die Zusammenarbeit ist natürlich bereits im Staatsvertrag von 1949 und ihren ergänzenden Verträgen genau geregelt. Die Schweiz ist ja seit ein paar Jahren Mitglied der Schengen-Abkommen, und da stimmen die Vorschriften überein. Ebenso bei den Safety-Bestimmungen, z.B. den Dangerous Goods oder der Gepäckkontrollen, existieren ja internationale Bestimmungen, womit entsprechende Ausbildungen und Übungen gemacht werden können. Wir arbeiten seit jeher sehr eng mit unseren Kollegen der EZV (ehemals GWK) zusammen, die mit uns die grenzüberschreitende Kontrolle, d. h. der Reisedokumente der Passagiere, sowie die Einhaltung der Einreise- und Aufenthaltsbedingungen in Frankreich, der Schweiz, d. h. im Schengen-Raum, teilen. Unsere Schweizer Kollegen haben ihrerseits in ihrem Bereich Zollvorrechte, die wir nicht haben, da die Warenkontrolle in Frankreich von einem spezialisierten Dienst (Zoll) durchgeführt wird.

Wir sind stets bestrebt, unser gemeinsames Vorgehen zu verstärken und zu optimieren. Dieser Austausch ist für uns eine echte Herausforderung.

Die COVID-Situation war bestimmt sehr kompliziert für Sie?

Das war in der Tat kompliziert und herausfordernd. Die Schweizer Grenzpolizei hat ja zwei Aufgaben – zum einen eben Grenzpolizei und zum anderen Zöllner. Und das ist nicht Dasselbe wie in Frankreich, wo die PAF die Einreisekontrollen und der Zoll die Zollbestimmungen durchsetzt. Während der COVID-Krise wurde unser Personal plötzlich für Einsätze geplant, die sie bis anhin nicht kannten, z.B. die Durchsetzungen der COVID-Bestimmungen. Frankreich, die Schweiz und zu einem kleineren Teil Deutschland hatten durchwegs unterschiedliche Bestimmungen über die Einreise. Auch wenn für den EuroAirport die Vorschriften durch die Präfektur in Colmar klar festgelegt sind, mussten für unsere Binationalität neue Wege gesucht werden. Beispiel: rund 50% unser Passagiere sind Schweizer oder Personen mit Schweizer Aufenthaltsrecht. Da für sie die CH-Bestimmungen massgebend waren, musste das Ministerium in Paris einen Sondererlass publizieren, wonach auf dem EAP – als einzigem binationalen Französischen Flughafen – die erwähnten Passagiere ausnahmsweise nicht den Französischen COVID-Bestimmungen unterliegen. So musste vor diesen Kontrollen eine Separierung der Passagiere vorgenommen werden, damit die CH-Passagiere den Schweizerischen Vorschriften entsprechen abfertigen zu können. Nun aber wollten die Deutschen Staatsbürger, für welche im Prinzip ebenso abweichende Vorschriften anwendbar waren, auch auf separate Kontrollen pochen. Das musste jedoch abgelehnt werden, weil zwischen Frankreich und Deutschland am Flughafen keine offizielle Grenze existiert.

Es gab aber irgendwann auch eine andere Einschränkung: Um Französisches Staatsgebiet zu verlassen, musste man ein «Motif», eine wichtige Begründung dafür vorweisen. Das konnte eine Beerdigung sein oder eine berufliche Sache. Wenn ein Fluggast nun aber mit seiner Bordkarte in der Hand zum Flugsteig ging und der PAF-Beamte ihn nach seinem Reisegrund fragte, und dieser gab an, dass er beispielsweise in der Türkei eine Schönheitsoperation durchführen lassen wollte, durfte er nicht an Bord gehen. Und sein Gepäck, das bereits aufgegeben worden war, wurde wieder eingezogen. Das war eine sehr ärgerliche und komplizierte Sache!

Dann gab es das Problem der medizinischen Hilfsflüge im Rahmen von Gesundheitsevakuierungen (EVASAN – MEDEVAC). Die Französische Armee verfügt über taktische Transportflugzeuge des Typs A330, die umgerüstet werden können für intensivmedizinische Evakuationen. Sie verfügen dann über 6 Blöcke für schwerkranke COVID-Fälle. Solche Patienten mussten aus ihren Herkunftsorten zum EAP evakuiert, via Frachthalle in die Maschinen geladen und in den Blocks sofort intensiv behandelt werden. Das dauerte pro Passagier eineinhalb Stunden, während vielen Monaten. Überhaupt war die ganze Zeit gekennzeichnet von vielen Personalproblemen, sei es von den Airlines, den Behörden oder den Flughafen-Bediensteten. Aber es ist meine und auch des Airport Direktors Aufgabe, solche Abläufe möglichst effizient zu gestalten.

Als die Krise langsam vorüberging und der Verkehr wieder anzog, waren Sie ziemlich schnell wieder in der Lage, die steigenden Passagierzahlen wieder zu bewältigen. Sie konnten von anderen Diensten und Standorten zusätzliches Personal organisieren. Waren diese Leute schnell eingearbeitet – und fehlten sie nicht in ihren ursprünglichen Dienstorten?

Das ist tatsächlich schwierig, denn diese Leute haben nicht die technische Ausbildung, an einem Flughafen arbeiten zu können. Wir setzen sie dann eher in den nicht-spezifischen Bereichen ein, um die spezialisierten Leute auf ihrem Spezialgebieten zu entlasten. Wir haben Ende 2020 ein paar automatisierte Passkontrollen betriebsfähig machen können, konnten sie dann aber nicht einsetzen, weil genau in diesem Gebiet ein Provisorium für zusätzliche COVID-Kontrollen eingerichtet werden mussten. Diese Geräte können jetzt wieder eingesetzt werden und das Personal versucht die wartenden ankommenden Fluggäste für die Benützung dieser automatischen Kontrollposten zu begeistern – sie stellen einen echten Zeitgewinn dar und helfen, die Schlangen vor den bedienten Schaltern zu reduzieren. Aber viele, die meisten Leute sind sich das nicht gewohnt und wollen es teilweise gar nicht erst versuchen. Das ist schade, denn diese teuren Einrichtungen sollen den Verkehrsfluss und damit die Qualität des Flughafens für die Passagiere verbessern. Wir müssen da versuchen, eine «Benützungskultur» zu schaffen und den Leuten Mut zu machen, diese Geräte zu benützen.

Die PAF ist für die gesamt-Sicherheit zuständig, vergibt aber die Personen- und Handgepäckkontrolle an verschiedene Dienstleister. Stellt das keine Probleme, zumal bei den laufend wechselnden Standards, die vorgeschrieben sind?

Das stellt kein Problem dar. In der Vergangenheit führte die Polizei alle Kontrollen der Sicherheit (sureté et sécurité) inklusive der Personenkontrolle (filtrage – IFPBC)) selber durch. Mit der Zeit wurde die Personenkontrolle an private Firmen vergeben, und es ist natürlich unsere Aufgabe, deren Standard laufend zu überprüfen. Wir machen z.B. regelmässige Tests der operationellen Situation, Durchgänge als Passagier, mit verbotenen Gegenständen im Gepäck. So können wir die Arbeitsqualität und die Aufmerksamkeit des Personals regelmässig überprüfen. Stellt sich bei einem Test ein Mangel heraus, so löst das natürlich, in Zusammenarbeit mit der Flughafendirektion, eine ganze Reihe von Massnahmen und Schulungseinheiten aus. Es geht ja nicht darum, die Leute zu schikanieren, aber der Standard muss genau eingehalten werden, und wenn Fehler festgestellt werden, müssen sie einem Feedbackprozess unterzogen werden, um zu verstehen, wo das Problem lag.

Ein grosses Problem ist nach wie vor das unbeaufsichtigte Gepäck in den Passagierhallen. Können hier technische Verbesserungen helfen?

Dies ist in der Tat ein nach wie vor grosses Problem, welches auch enorme Konsequenzen für den Flughafen, aber auch für die Airlines und die Passagiere mit sich bringt. Es gab kürzlich einen Fall einer Familie, die für einen Flug in die Türkei einchecken wollte, jedoch vorher noch etwas zu erledigen hatte. So liessen sie ihren Gepäcktrolley mit sieben Gepäckstücken einfach stehen und fuhren zurück in die Stadt! Das war eine Katastrophe.

Wir arbeiten in dieser Frage eng mit dem Flughafen zusammen. Er ist ein Partner, der zuhört, und das eröffnet verschiedene technische Möglichkeiten. Für uns ist es einfach wichtig, solche Vorkommnisse zu minimieren und jedes Gefahrenrisiko separat zu bewerten: Eine Person, die sich auffallend verhält und sein Gepäckstück in eine dunkle Ecke versorgt – das ist ein Risiko. Aber eine Mutter mit einem Kind, das vielleicht sein Gepäckstück irgendwo liegen lässt, ist eventuell kein Risiko. Und das können wir kontrollieren, und es ist wichtig, Personen und Gepäckstücke schnell wieder zu vereinigen. Dafür haben wir die Video-Überwachung, und diese ist für uns sehr wichtig. Und wir haben sehr viele Plakate installiert, und wir machen laufend Lautsprecher-Durchsagen, die auf dieser Problematik aufmerksam machen. Das hilft viel, aber Problem ist eben, dass wir auf einem Flughafen keine Pädagogik über Sanktionen machen können, denn es sind ja nicht immer dieselben Leute. Die Geldstrafe, die ihnen droht, ist mit 450 Euro nichts im Vergleich mit dem Schaden, den sie angerichtet haben. Bei Vielen fehlt es an der Einstellung, immer mit seinem Gepäck zusammen zu sein. Es gibt bereits Video-Systeme, die mit künstlicher Intelligenz solche Vorkommnisse schnell erkennen können. Es gibt verschiedene Flughäfen, die das versuchsweise bereits anwenden. Es bleibt abzuwarten, ob diese Vorkehrungen anpassungsfähig und wirksam sein werden. Wir können jedoch nicht grenzenlos überwachen, wie zum Beispiel China das tut, denn da haben wir strenge gesetzliche Einschränkungen. Der Betreiber der Videoüberwachung ist der Flughafen, und wir, die Polizei, können nicht frei über die Videos verfügen. Wenn zum Beispiel ein Passagier eine Anzeige erstattet, sein Portemonnaie sei aus seinem Gepäckwagen gestohlen worden, so müssen wir diese Videosequenz bei der Flughafendirektion mit einen offiziellen, gerichtlich bestätigten Antrag bestellen!

Nochmals zum «Bagage abandoné»: Da konnten viele Fortschritte erzielt werden und wir sind froh über die gute Zusammenarbeit mit dem Flughafen, denn wir haben heute viel weniger Probleme als vorher. Aber es bleibt ein Problem. Aber ein Vorfall wie der oben erwähnte hat natürlich große Auswirkungen, da ein Perimeter innerhalb des Terminals neutralisiert werden muss.  Wir leben in gefährlichen Zeiten mit Anschlägen und Unsicherheit, und wir dürfen nie die Ereignisse von 2015 (Paris) oder die, die an anderen Flughafenplattformen in Europa und der Welt begangen wurden, aus den Augen verlieren. Wir dürfen solche Ereignisse nicht leichtfertig beurteilen, denn eine Fehleinschätzung ist heutzutage absolut nicht vorstellbar und wäre unentschuldbar. Wir müssen die Sicherheit der Passagiere und der Flughafenmitarbeiter gewährleisten.

Alle Normen und Instruktionen kommen von der Préfecture in Colmar. Und diese sind eher auf rein Französische Flughäfen ausgerichtet und nicht auf Spezialsituationen, wie sie sich auf dem EuroAirport mit seiner Binationalität präsentieren. Haben Sie gewisse Freiheiten in der Einhaltung dieser Vorschriften?

Vorschriften müssen eingehalten werden; sie sind national anwendbar. Ich kann die Regeln also nicht einfach auf unsere Verhältnisse abändern. Es ist jedoch meine Aufgabe, den Präfekten auf unsere Situation aufmerksam zu machen und ihn zu beraten. Beispiel: die COVID-Krise, wie schon erwähnt. 50% des Passagieraufkommens sind Schweizer, auf welche die Französischen COVID-Bestimmungen nicht angewendet werden konnten. Da mussten wir eben darüber diskutieren, und dann war es an ihm, diese Dinge mit der Regierung zu diskutieren. Ich habe aber durchaus die Möglichkeit, auf lokaler Ebene Vereinbarungen zu treffen, die die Prozeduren etwas erleichtern, ohne jedoch den Gesetzen zu widersprechen. Der EuroAirport ist der einzige Flughafen weltweit mit einer solchen interstaatlichen Situation, die Problematik ist also immer verschieden von anderen Flughäfen. Wir müssen diese Unterschiede bewältigen, sonst sind sie nicht verständlich und nachvollziehbar!

Wir haben von verschiedenen Abflugsorten regelmässig Einreiseversuche von Migranten mit gefälschten Papieren. Nun haben wir zusammen mit den Schweizer Behörden ein gemeinsames Büro – mit Französischen und Schweizerischen Beamten – eröffnet, um solche Passagiere besser zu erkennen. Wir können nun diese Versuche gemeinsam gezielt identifizieren, mit anderen Flughäfen erfolgreich koordinieren und so deren illegale Einreise Frankreich-weit zu verhindern. Und das muss gemeinsam geschehen, sonst macht es keinen Sinn!

Und sonst noch?

Es ist erfreulich, wie gut die Zusammenarbeit international funktioniert und Probleme partnerschaftlich angegangen werden können. Immerhin gibt es auf diesem Platz Französische und Schweizerische Firmen und Amtsstellen. Das Airline Operators Committee leistet hier auch einen wesentlichen Beitrag zur Kommunikation. Mit der Praxis interagieren alle Partner auf natürliche Weise für den reibungslosen Betrieb dieser sehr schönen und einzigartigen Flughafenplattform und es ist ein Vergnügen, daran teilzunehmen und dazu beizutragen! 

Monsieur le Commandant, ich danke Ihnen für dieses Interview.

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