Bericht SkyNews 8/22

Die Erhart-Story

Welches war die erste schweizerische Charterfluggesellschaft? Balair? Globe Air? Weder noch. Die gefragte Fluggesellschaft wurde im Jahre 1955 von einem gewissen Dr. Alfred Erhart gegründet und hiess Swiss Universal Air Charter Limited (SUAC). Geflogen wurde mit einer Vickers Viking MK1 mit dem Kennzeichen G-AHOU. Und dieser Alfred Erhart war ein absoluter Selfmade-Mann der ersten Stunde, in welcher die Luftfahrt nach dem Krieg so richtig zu boomen begann und als, locker ausgedrückt, alles noch nicht so kompliziert war wie heutzutage.

Aber von Anfang an. Erhart wurde am 17 Januar 1918 geboren und wuchs hauptsächlich in Basel auf. Als Leutnant der Fliegertruppe atmete er im Aktivdienst zum Fliegerei-Luft ein, was ihn nachhaltig beeinflusste. Nach dem Krieg schloss er sein Studium mit einem Doktortitel der Philosophie ab, und danach zog es ihn wieder in die Fliegerei, indem er Dienstleistungen wie Abfertigung, Vertretungen oder Reiseleitungen anbot – was sich gerade so verkaufen liess. Als Charterbroker machte er sich bald einen Namen, für Frachtladungen die billigsten Flüge zu vermitteln. So brachte er es fertig, in Sion eine englische Dakota zu stationieren, welche regelmässig aus der Tschechoslowakei Bata-Schuhe in die Schweiz flog und auf dem Rückflug von ihm vermittelte Erdbeeren transportierte. Viele weitere, meist sehr abenteuerliche Charterverträge und Reiseleitungen folgten – die Schilderungen in seinem Buch «Wunder dauern etwas länger» lesen sich wie Räubergeschichten! Dazu zählte auch seine Spezialisierung auf Sargtransporte – der Schweizer Alpenraum zählte zu den Tuberkulose-Kurorten – für die er eine DH Dove charterte, wobei dessen Passagiertüre einmal zu eng für einen Sarg war. Das Problem wurde mit einem Schraubenzieher gelöst, mit welchem ein Rumpfblech des Flugzeuges herausgeschraubt und der Sarg durch dieses Loch gedrückt wurde. Der resultierenden Schaden an einem solchen Blech wurde mit aufgeleimter Schokolade-Folie «repariert»…

Irgendwann erkannte er den Vorteil, Flüge ab dem noch neuen Flughafen Basel-Mülhausen durchzuführen: der Treibstoffpreis, der (damals) um fast 50% tiefer war als in Zürich. Er betrieb ein intensives Marketing bei vor allem englischen Charter-Carriern, denen er vorrechnete, dass eine volle DC3 günstigere Sitzplatzpreise als ein Gruppentarif der Bahn erzielte. Vieles liesse sich noch berichten, aber das hier ist auch amüsant: Auf der Suche nach potenziellen Geschäften Schweiz-England stellte er sich eines abends auf einem englischen Bahnhof auf und beobachtete die Reisenden, die vom Kontinent ankamen. Er entdeckte nicht nur jede Menge junger Mädchen, sondern auch die Helferinnen der kirchlichen Mädchenschutzvereine. Es gab offensichtlich ein grosses Potenzial an Au Pair-Mädchen, die in England ein Auslandsjahr einschalteten, und dafür zog er einen spezialisierten Reiseverkehr auf… Damit das Ganze auch legal war, gründete er die «Vereinigung zum Schutze jugendlicher Auslandsreisender», um die nötigen Verkehrsrechte zu erlangen.

Für eine Erleichterung musste er jedoch lange kämpfen, nämlich für den Zollfrei-Treibstoff, wie er in der restlichen Schweiz schon lange gewährt wurde. Dieser war im Staatsvertrag für den Flughafen nicht vorgesehen. Um die einflussreiche Lobby zu gewinnen, gründete er 1955 die «Basler Vereinigung zur Förderung des Luftverkehrs», also die Vorgängerin der heutigen IG EUROAIRPORT! Und gleichzeitig baute auf dem Flughafen einen eigenen Abfertigungsdienst auf, in welchem hauptsächlich Studenten beschäftigt waren.

Der Schritt zu einer eigenen Fluggesellschaft war nur noch klein, und dafür fand er auf Bermuda eine alte, ziemlich verwahrloste Vickers Viking, die er herrichten und nach Basel überfliegen liess. Das war im 1955 der Startschuss für den schnell wachsenden Charter-Ferienverkehr in der Schweiz. Charterflüge waren zwingend All-In-Flüge, inklusive die Unterkünfte in Ferienhotels. Reine Flugtickets von A nach B waren nicht käuflich – zumindest nicht offiziell – denn sonst wären sie eine unerlaubte Konkurrenzierung der meist staatlichen Linienflüge gewesen. Nach rund sechs Jahren erfolgreichen Flugbetriebs zeichnete sich das Ende der Universal-Viking ab, und damit auch das Ende seiner eigenen Airline.

In den Jahren hatte er beim Reisepublikum eine grosse Beliebtheit der Balearen, genauer: Mallorca festgestellt. Anfangs der 60er Jahre schien es, dass diese Inseln nicht mehr en vogue seien, sondern vielmehr der Trend in Richtung Fernreisen ginge. Erhart schien es, dass Mallorca durchaus noch weiter boomen könnte, aber dafür müsste der Hotel-Standard gehoben werden. Dafür gab es aber nur eine Möglichkeit: selber Hotels bauen, nach eigenen Qualitätsvorstellungen. Die Finanzierung war natürlich das Schwierigste daran, und er entschied sich für öffentliche Obligationen mit einer langen Laufzeit und einer interessanten Verzinsung, aber auch für eine Ermässigung der Flugreisen für die Halter dieser Wertpapiere. So konnte in San Telmo sein erstes Hotel entstehen, gefolgt von einer ganzen Reihe von eigenen Hotels. Der Vertrieb lief über seinen eigenen Touroperator, der 1947 gegründeten Universal Flugreisen in Basel. Nach wie vor ist die Insel Mallorca eine ausserordentlich erfolgreiche Feriendestination für Feriengäste aus ganz Europa.

In den 70er Jahren dominierten in Basel jeweils sonntags die legendären CV900 «Coronado» der ebenso legendären spanischen Spantax S.A., welche die «Luftbrücke» BSL-PMI für Universal bewältigten. Auf dem EuroAirport war Universal Flugreisen für Palma de Mallorca der Marktleader – daran änderte auch der zweifelhafte Ruf der Spantax nichts! Und auch ab Zürich herrschte Multiops nach PMI, wenngleich dort mehrere Touroperators mitboten. Zeitweise kamen weitere Destinationen dazu, jedoch konzentriert sich Universal heute wieder auf Palma, mit seinen sehr erfolgreichen eigenen Hotels. Heute aber werden 50% des Aufkommens in Zürich abgewickelt, Bern, Genf und Altenrhein werden ebenfalls bedient, aber ab Basel fliegen gerade noch ganze 7%, und zwar nicht mehr im Charter. Hingegen ist PMI nach wie vor hochaktiv, zumal bei den Golden-Agers.

Dr. Alfred Erhart starb 1998 80-jährig, und das Unternehmen wird heute von seinem Sohn in Vaduz erfolgreich weitergeführt. Und zwar im Sinne des Gründers – dessen Unternehmergeist nach wie vor spürbar ist. Auch wenn heute alles nicht mehr ganz so abenteuerlich abläuft…

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