Beitrag SkyNews 6/21

Robert Appel, SkyNews Juni 2021: Voraussagen 

«Voraussagen soll man unbedingt vermeiden, besonders solche über die Zukunft», sagte bereits Mark Twain.

Trotzdem sind heute, im Corona-Zeitalter, die Zeitungen voll von Prophezeiungen, ab wann und wie schnell sich die Luftfahrt nach Beendigung der Corona-Krise wieder erholen wird. Diese Thesen haben aber oftmals einen entscheidenden Nachteil: Sie werden nicht immer von Fachleuten aufgestellt.

Es war wohl noch nie so schwer, Prognosen über den Luftverkehr loszuschlagen; zu viele unvorhersehbare Parameter wirken mit. Die Wissenschaft spürt bald wöchentlich neue Virusvarianten auf und resettet im gleichen Atemzug gleich die Impfschutz-Theorien. Die einzelnen Länder überbieten sich gegenseitig mit Lockdowns und ähnlichen Lebensbereicherungs-Massnahmen. Die mannigfaltigen, individuellen Ein- und Ausreisebestimmungen tragen zur grossen allgemeinen Verunsicherung bei. Nur das kollektive Flugscham-Diktat hat etwas an Brisanz eingebüsst – so akut ist der Fernweh-Leidensdruck nach eineinhalb Jahren Abstinenz geworden.

Nichts ist mehr planbar! Widersprüchlich sind die Aktivitäten: Die einen Airlines verspäten die Auslieferung ihrer schon lange bestellten Flugzeuge und senden noch mehr Maschinen in die Wüste oder direkt unter den Schrotthammer, und andere wiederum rufen ihre ehemaligen Besatzungen zurück, weil es offensichtlich demnächst wieder losgeht. Die einen Airlines müssen ihre Bilanz deponieren, während andere gerade jetzt neu gegründet werden, weil sie den Zeitpunkt als so günstig wie nie erachten.

Und so läuft die Wahrsagungs-Industrie wie geschmiert. Die Corona-Krise aktiviert die vereinigten Besserwisser weltweit, und entsprechend schlagen die Prophezeiungen von Experten und Nicht-Experten in alle Richtungen aus. Solche Zeitungsartikel überfliege ich höchstens noch, denn wie soll sich überhaupt noch jemand zurechtfinden und Aussagen wagen, wann, wie, wie stark und vor allem wie schnell «es» wieder bergaufwärts gehen soll?

Ich selbst würde mich hüten, eine Prognose zu wagen, ausser Sie klären die im folgenden Abschnitt aufgeworfenen offenen Punkte. Und vor allem: sie können das Ende der Krise voraussagen. Nur der Corona-Krise, das reicht schon. Niemand, und wirklich niemand kann zur Zeit nämlich die wichtigsten Fragen beantworten (Liste nicht abschliessend):
– Wird der Geschäftsreiseverkehr wieder annähernd zu alten Dimensionen zurückfinden oder hat man sich für Video-Konferenzen als alleinseligmachende Kommunikationsmittel entschieden?
– Der Langstreckenverkehr? Wird er sich erholen oder weiterhin auf niedrigem Niveau dümpeln – und haben die Airlines schlussendlich das passende Fluggerät für die neuen Herausforderungen?

– Kann der Ferientourismus seine Fahrt (oder Flug) ins Glück unbeschränkt bald wieder aufnehmen oder muss zuerst die globale Herdenimmunität abgewartet werden?
– Lassen sich die EU-Staaten auf gemeinsame Pandemie-Normen ein oder bleiben die einzelnen Länder weiterhin die grossen Nationen wie weiland schon vor der EU-Gründung?
– Wie lange noch sind die Regierungen willens und in der Lage, ihre Airlines, die ganze Industrie weiterhin zu unterstützen – und wie oft noch werden sie ihre Bevölkerung in den Lockdown verriegeln?
– Sind die Ferienbudgets aufgrund von Kurzarbeit, oder schlimmer noch Arbeitslosigkeit, geschwächt, oder lassen unerfüllte Ferienträume die Sorgen in den Hintergrund treten?
– Wird das Umweltbewusstsein, ob echt oder auch nur aufoktroyiert, einen spürbaren Effekt auf den Reiseverkehr zeigen?
– Und vor allem: wann, das Ganze?

Während ich selbst die Schweiz seit jeher als attraktives Ferienland kenne, wartet die Mehrheit der Bevölkerung sehnsüchtig darauf, bald wieder nach «Malle» oder zu anderen gängigen Touristen-Bratgrills jetten zu dürfen, und das werden sie tun, sobald sich eine Chance ergibt. Das haben die Ostertage verdeutlicht. Insofern kann wohl angenommen werden, dass die Kurzstrecken-Low Budget-Carriers sich etwas schneller wieder aufrappeln können als klassische Airlines, deren Konzepte schon vor Corona teilweise auf tönernen Füssen standen. Flughäfen wie der EuroAirport mit seinem ausgeprägten Low-Cost Verkehr (EasyJet ist bekanntlich der Platzhirsch in Basel, und Nr. 2 ist Wizzair), dürfte deshalb wohl intakte kurz- und mittelfristige Erholungschancen haben. Nur eben: wann wird das sein?

Genug der düsteren Gedanken. Wilhelm Busch (1832-1908) sagte mal: «Ich bin Pessimist für die Gegenwart, aber Optimist für die Zukunft».

P.S. auch ich freue mich auf die nächste Flugreise!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert