Die Bahnanbindungs-Soap Opera
Lieben Sie Seifenopern? Bestimmt kennen Sie welche (und schauen sie insgeheim), denn basierend auf der Beliebtheitsskala könnten rein statistisch gesehen wohl auch Sie Ihre Freude daran haben.
Die Definition einer solchen liest sich in Wikipedia übrigens so (Ausschnitte):
«Eine Soap Opera (..) ist in der Regel eine lang laufende Radio- oder Fernsehserie, die sich durch Melodramatik, Ensemblebesetzung und Sentimentalität auszeichnet. (…) Seifenopern zeichnen sich häufig durch komplizierte Handlungen, «Cliffhangers» und die Konzentration auf emotionale Beziehungen aus. Sie werden in regelmäßigen Abständen ausgestrahlt, wobei jede Folge so endet, dass die Handlung in der nächsten Folge fortgesetzt wird. Das Format ermöglicht gleichzeitige Handlungsstränge, sich überschneidende Handlungsstränge und eine kontinuierliche Entwicklung der Charaktere. Seifenopern schließen selten alle Handlungsstränge gleichzeitig ab, so dass die Zuschauer mit Spannung auf die nächste Folge warten.(…)»
Die Definition lässt es zu, diese Metapher im Zusammenhang mit dem schon seit Dekaden geplanten Bahnanschluss auf den EuroAirport zu verwenden. Denn dieses Geschäft erfüllt praktisch alle aufgeführten Definitionen mit Bravour, ausser die letztgenannte, nämlich dass die Zuschauer mit Spannung auf die nächste Folge warten. Das tun sie nämlich schon lange nicht mehr, sondern sie ärgern sich langsam, aber das ist an sich dann schon fast wieder amüsant. Leider!
Eine lang laufende Serie ist es auf jeden Fall: Beim ursprünglichen Flughof an der heutigen Stelle, der im Jahre 1970 eröffnet wurde, wurde ein Flughafenbahnhof nämlich nicht nur geplant, sondern auch baulich vorbereitet. Alle wussten, in diese Galerie wird mal ein Bahnhof eingebaut, nur konnte niemand sagen wann. Denn das Luftverkehrsaufkommen zu jener Zeit hätte noch keine Zugverbindung gerechtfertigt – da reichte der alte Swissair-Bus längstens aus (wie auch der Parkplatz die Bedürfnisse noch digge zu erfüllen vermochte).
Als die Passagierzahlen anstiegen und die Realisierung einer Flughafenbahn eigentlich sinnvoll geworden wäre, wurde wieder geplant, immer wieder mal. (Auch das ist eine Analogie zur Soap Opera, denn eine solche arbeitet immer wieder mit den selben oder zumindest ähnlichen Ausgangslagen). Damit ist die Bedingung der Melodramatik erfüllt. Aber dann kommt jeweils ziemlich schnell die Finanzierungsfrage. Stichwort: Sentimentalität. Und weil der Basler/Mülhausener Flughafen bekanntlich ein binationales Konstrukt ist, kommt damit erst noch eine emotionale Note ins Spiel.
Die Bedingung der Ensemblebesetzung ist damit erfüllt, dass sich irgendwann, im Laufe der Serie, auch die umweltbewussten Kreise eingeschaltet haben und von Folge zu Folge mehr in den Vordergrund drängen (komplizierte Handlungen): Aus der Nachbarschaft des Flughafens kam irgendwann die Vermutung auf, dass der Bahnanschluss und resultierende Bahn-Mehrverkehr (der den Busverkehr weitgehend ersetzen würde) umweltschädigend und eine Konkurrenz zu regulären Bahnreisen sei. Weil eine Wunschvorstellung nicht zwingend mit der Realität korrelieren muss, wird die emotionale Fehlleitung einer Seifenoper perfektioniert (auch wenn diese Kategorie in der obigen Definition nicht explizit aufgeführt ist), dennauch dort wimmelt es von irrationalen, emotionalen Verhaltensweisen. In einer richtigen Fernseh-Seifenoper können Akteure übrigens jederzeit problemlos ausgetauscht werden (Ensemblebesetzung). Es wird dann einfach der Skript umgeschrieben. Diese Möglichkeit entfällt im bezeichneten Fall.
Immer wenn es um Geld geht, wird es naturgemäss kompliziert, und damit ist die nächste, mit Gleichmut erwartete Folge (oder das Drama?), für den kommenden Sommer programmiert. Mit dem Cliffhanger-on-Duty: Die Finanzierung durch eine Vielzahl von möglichen multinationalen Geldquellen (komplizierte Handlungen).
Vielleicht ist «Gute Zeiten, schlechte Zeiten» (GZSZ) doch die spannendere Soap Opera.