Beitrag SkyNews 10/21

ROBERT APPEL, SKYNEWS OKTOBER 2021: QGO

Sagt Ihnen der Begriff «QGO» etwas? Oder «Q-Codes»? Nein?

Die Q-Codes sind alte Überbleibsel aus der Zeit, in welcher der Flugfunk noch über Morse-Signale abgewickelt wurden. Mit der Morse-Kommunikation musste die Anzahl der benötigten Zeichen aus Zeitgründen möglichst kurz gehalten werden. Und so wurden für standardisierte Abfragen oder Begriffe internationale Codes geschaffen. Diese waren 3-stellig und begannen mit einem «Q». Immer noch benützt und den Pilotinnen und Piloten geläufig sind z.B. die Begriffe «QNH», oder «QFE».

Ein weiterer Code, nämlich «QGO», bedeutet für die Betroffenen nichts Gutes: «Landing prohibited», also Flughafen geschlossen für ankommende Flugzeuge. Das kann ein Unfall sein, der die Piste blockiert, politische Vorkommnisse oder auch meteorologische Verhältnisse.

Der Flughafen Zürich-Kloten wurde auf teilweise sumpfigem Gebiet gebaut, und deshalb war/ist er anfällig für Nebelbildung. Obwohl längst nicht so kritisch, hat auch BSL seine Nebelgefahr, wenn im Winter leichter Wind aus dem Norden, dem grossen Waldgebiet kommt. Dann wissen alle, dass die horizontale Sicht bald sinken wird. Heute spielt der Nebel natürlich längst nicht mehr die entscheidende Rolle wie damals, denn die niedrigeren Lande-Minimas und die Möglichkeit für vollautomatische Landungen haben den grossen Schrecken längst relativiert. Aber bis in die späten 70-er Jahre war das anders: Mit Sorge beobachteten in ZRH die Einsatzleitstelle (ELS) und die Flugzeug-Abfertigung der Swissair (heute Swissport) die Wetterentwicklung, wenn die Nebelvoraussetzungen kritisch waren, z.B. wenn Unterschied zwischen Temperatur und Taupunkt immer geringer wurde. Die QGO-Gefahr wurde latent, und damit drohten chaotische Zustände, wenn die SR-Flugzeuge überall landeten, nur nicht in Kloten, wo die nächsten Passagiere bereits auf ihren Flug warteten.

Da Basel in der Regel bessere Horizontalsicht aufwies, wurde dieser Flughafen zum Haupt-Alternate, war für derartigen Mehrverkehr jedoch weder personell noch vom Equipment her ausgerüstet. In diesem Falle wurde in ZRH ein QGO-Detachement zusammengestellt, bestehend aus genügend Personal, welches mit Bussen oder per Flugzeug nach Basel verlegt wurde. Aber auch Ground-Equipent musste die Reise nach BSL antreten: Ground Power Units (GPU), Airstarters (ASU), Traktoren, Gepäckwagen und sogar Flugzeug-Treppen wurden auf Tiefladern nach Basel verlegt. Auf dem Weg dorthin, alles der Rheinstrasse entlang, machte der Tross genau auf halbem Weg, in Etzgen/AG Halt, um von dort aus per Telefon den neuesten Stand zu erfragen. Das Wetter in ZRH hätte sich zwischenzeitlich ja wieder verbessern können, und dann wäre die Karawane halt wieder zurückgekehrt.

Aber auch in Basel-Mulhouse herrschte Hochbetrieb. Flugprogramme ab ZRH wurden abgefragt und zusätzliches Personal aufgeboten. Der Disponent von Settelen Carreisen, als offizieller QGO-Bus Koordinator, kratzte alle verfügbaren Autocars sämtlicher Firmen in der weiteren Umgebung zusammen und verlegte sie auf den Flughafen. Dort erhielt ein Teil von ihnen eine Tarmac-Bewilligung, damit die Passagiere bei den Flugzeugen abgeholt werden konnten. War der Tarmac einmal voll, wurden diese nämlich überall, auch auf der Querpiste 08/26 und auf Taxiways abgestellt. Organisiert wurde, wie es sich gerade ergab, denn es fehlte trotz mittlerweile aus ZRH eingetroffenem QGO-Detachement ein akuter Personal- und Fahrzeugmangel. Die Flugpläne gerieten völlig durcheinander, und die Crews wurden laufend umdisponiert. Ein paar wichtige Einsatzleiter hatten die Übersicht – oder versuchten es zumindest. Eine solche QGO-Periode konnte ein paar Stunden dauern oder auch mehrere Tage. Das Personal arbeitete bis zum Umfallen, und die Passagiere hatten keine andere Wahl als geduldig zu warten. Das Verständnis für die Situation war damals in der Regel da. Friedliche, alte Zeiten!

Aber, und das machte vor allem die Plane-Spotters euphorisch, es sah aus und ging zu wie auf einem richtigen Flughafen. Weg war die Beschaulichkeit des normalen Barackendorfes, und es herrschte richtiger Flugbetrieb mit grossen Maschinen, die sich sonst kaum nach Basel verirrten. Oftmals stand die halbe Swissair-Langstreckenflotte da, zusammen mit interessanten Linienmaschinen vieler anderer Gesellschaften.

Heute gibt es aus bereits erwähnten Gründen praktisch keine solchen Situationen mehr. Sie wären heute auch nicht mehr so unkompliziert zu bewältigen – zu strikt und einschränkend sind heute die Sicherheitsbestimmungen.

In einer QGO-Nacht – ich war damals in den frühen 70-ern Statiönler der Balair – wurde ich eingeteilt, mit unserem VW-Bus die Crews bei den Flugzeugen zu abzuholen bzw. dorthin zu bringen. Da bemerkte ich, dass mein Fahrweg beiderseitig mit blauen Lichtern begrenzt war, und sagte «Ouh, I think I am on the taxiway.» Der englische Captain, stoisch und Gentleman-like: «You are».

Robert Appel

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert